Dancingqueen

Mit den Fingern streicht Merle über die Pailletten und hat das Gefühl, wieder das Klimpern zu hören. An einigen Stellen sind die Fäden durch die Reibung gerissen, aber das orangene Tuch ist noch gut erhalten. Sie schließt kurz die Augen und bewegt die Hüften zu einer Acht. Sie lächelt und muss innerlich zugeben, dass ihr Hüftschwung nicht mehr derselbe wie mit 16 im Bauchtanzunterricht ist.

Hinter ihr öffnet sich die Schlafzimmertür. „Mama was machst du?”, fragt Corinna. „Ich sortiere alte Sachen für die Spendenaktion bei euch im Kindergarten aus.” Merle zuckt mit den Schultern. Die Aktion hatte sie vollkommen vergessen, bis sie gestern nach der KiTa darauf angesprochen wurde, ob sie auch einen Kuchen backen wird. Also muss sie jetzt – eine halbe Stunde vor Abfahrt – noch aussortieren. „Das Klimpertuch behalten wir, ok?”, fragt Corinna. „Wieso möchtest du es denn behalten?” – „Weil es so schön ist.” Merle nickt und wirft das Tuch auf das Bett. Langsam wird die Zeit knapp. Mehrere alte T-Shirts landen auf einem Haufen. Hoffentlich kann Sie die Sachen in der KiTa nochmal ordentlich falten.

Hinter sich hört sie ein Rascheln und dann das hohe Metallklappern. Corinna hat sich das alte Bauchtanztuch über die Schultern gelegt und hüpft im Bett auf und ab. „Soll ich dir zeigen, wie das richtig geht?” – „Ja!” Corinna lässt sich auf das Bett fallen und klatscht in die Hände. „Gut, aber erst nach dem Kindergarten. Das hier muss erst fertig werden.” Das Lächeln auf dem Gesicht ihrer Tochter verschwindet genauso, wie das Glitzern in den Augen. „Okay…” Corinna zieht das Tuch von den Schultern und rutscht vom Bett. Mit heruntergefallenen Schultern und gesenktem Blick verlässt sie den Raum.

Einen Moment steht Merle da und blickt ihr einfach nur hinterher. Das T-Shirt in ihrer Hand lässt sie auf den gar nicht mehr so kleinen Haufen fallen und steigt hinüber. „Rini warte!” Vom Bett greift sie sich das Tuch und kniet sich dann auf dem Flur vor ihre Tochter und bindet es an deren Becken. Die erstbeste Playlist vom Handy muss ausreichen. Merle fühlt sich wieder jung und spontan. Corinna strahlt über das ganze Gesicht. Manchmal muss man sich entscheiden, wen man glücklich machen will. Bestenfalls fällt die Entscheidung auf die eigenen Kinder und sich selbst.

Lebt leuchtend, Lena.

P.S. Hat Euch der Beitrag zum Lächeln gebracht? Was hat Euch gefallen und was vielleicht auch nicht? Ich freue mich auf Euer Feedback in den Kommentaren oder per Kontaktformular.

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