Gemäuer

Der Holzboden knarzt, als Frieda den ersten Schritt in den Flur setzt. Über ihr knistert ganz leise der Putz, während er sich von der Decke auf ihre Haare fallen lässt. Als Antwort auf den Versuch, die Haustür wieder zurück ins Schloss fallen zu lassen. Das Haus antwortet auf jede ihrer Bewegungen und macht deutlich, wer hier das Sagen hat. „Das ist wirklich sicher?“, fragt ihre Mutter hinter ihr. „Ja doch, die Statikerin hat alles geprüft. Einstürzen wird hier nichts. Das Gemäuer ist einfach nur alt.“ Frieda kann es sehen, die kleinen Stuckverzierungen in den Ecken der Räume, die nur wieder zum Leben erweckt werden müssen, die glänzenden Armaturen in der Küche, die wie durch ein Wunder weitestgehend erhalten sind. „Wie lange steht das hier denn schon leer?“ – „Etwa 30 Jahre. Ich weiß schon, ist viel Arbeit.“

Sie blickt sich in dem großzügigen Salon um und muss selber schlucken, als sich eine kleine Maus ihren Weg zurück in eine der hohen Wände bahnt. „Aber es wird ganz toll. Das Haus hat nicht nur Geschichte. Es ist sogar Geschichte. Keiner wollte hier mehr etwas machen. Aber wäre es nicht schade, diese Lage nicht zu nutzen?“ – „Wäre es nicht günstiger, einfach alles abzureißen und neu zu machen?“ – „Bestimmt, aber das möchte ich nicht. Diese Wände halten seit hunderten von Jahren und haben sogar 30 Jahre Leerstand mehr oder weniger unbeschadet überstanden. Was wünscht man sich besseres?“ Frieda fährt mit der Hand über die Wand neben ihr und bringt eine Wandmalerei zum Vorschein, die von einer dicken Staubschicht bedeckt war. „Sieh genau hin. Hier sind überall Schätze versteckt. Das Haus braucht einfach nur eine neue Chance. So wie wir auch manchmal.“ Sie summt, während sie ihren Spaziergang durch ihr neues Projekt fortsetzt. Die Gästezimmer werden alle oben angesiedelt, unten wird der Salon zu einem Ballsaal ausgebaut. Sie kann es alles sehen. Das Gemäuer ist noch keine Ruine und soll es auch nicht werden. Mit etwas Fantasie, einer Menge Tatendrang und stetiger Arbeit entsteht hier ihr eigenes Hotel. Ihr Traum.

Lebt leuchtend, Lena.

P.S. Hat Euch der Beitrag zum Lächeln gebracht? Was hat Euch gefallen und was vielleicht auch nicht? Ich freue mich auf Euer Feedback in den Kommentaren oder per Kontaktformular.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert