Das Gras ist etwas zu lang in dem ansonsten liebevoll angelegten Garten. Elisabeth folgt dem geschlängelten Weg bis zur kleinen Steintreppe über die sie zur alten Eichentür gelangt. Die Klingel ist so laut, dass sie sie draußen hören kann. Karl öffnet die Tür. Seine Augen sind rot unterlaufen und werfen tiefe Schatten auf seine Wangen. „Mensch Karl, wieder nicht geschlafen?“ – „Weißt schon, das große Bett…“ Elisabeth geht nach Karl ins Haus und ihr Blick verfängt sich auf einem Bild der Verstorbenen. Sie ignoriert es und beginnt in der Küche, den mitgebrachten Teig in Brötchenform zu bringen. „Es wird Zeit, dass wir dich mal wieder auf Vordermann bringen. Und das Haus.“, fügt sie hinzu und deutet auf die Berge an Geschirr, die sich an den unpassendsten Stellen in den Zimmern stapeln. Diese Porzellanberge könnten sich jederzeit in eine Scherbenlawine verwandeln. So wie Karls Gemütszustand auch. Vor vielen Jahren war Karl derjenige, der Elisabeth aus diesem tiefen Loch geholt hat. Mit viel Geduld und viel Humor. Und irgendwann war sie wieder da und es ging besser. Jetzt ist es Zeit, sich zu revanchieren.
Der frisch geduschte Karl betritt 15 Minuten später die Küche und sieht erstaunlich frisch aus. „Na, da glänzt die Küche ja fast schon, wenn du den Raum betrittst.“ Elisabeth deutet Karl, sich hinzusetzen. Sie serviert ihm ein Frühstück. „So mein lieber Freund: Heute werden wir aktiv. Ich mache dir dieses eine Mal deinen Haushalt und du machst den Garten. Und wenn wir mittags beide fertig sind, sieht die Welt schon ganz anders aus.“ – „Ich mache mir nichts aus dem langen Rasen.“ – „Ich aber, weil es dich spätestens in zwei, drei Monaten wurmt.“ Karl brummelt etwas Unverständliches in seinen Bart. „Das hab ich wohl davon.“, sagt er auf Nachfrage nochmal laut. „Das kannst du laut sagen.“, antwortet Elisabeth. Ein ganzes Leben haben die beiden als Freunde miteinander verbracht. Was wäre es für eine Freundschaft, wenn sie nicht auch in Krisenzeiten das Fundament für den Wiederaufbau eines Scherbenhaufens ist. Es ist nicht immer alles zum Lachen. Aber es ist auch nicht alles immer nur zum Weinen, auch wenn man das kaum glauben kann. „Danke“, sagt Karl und drückt Elisabeths Hand einmal ganz kurz. Ein Anfang. Alles Schritt für Schritt.
Lebt leuchtend, Lena.
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