Segelturn

Was um Himmels willen mache ich hier?“, fragt Sonja leise als sie auf dem Holzsteg vor dem Segelboot steht. Gehört hat sie keiner ihrer Freunde. Wie konnte es eigentlich passieren, dass alle um sie herum schon zu Schulzeiten segeln gelernt haben, sie aber nicht. Und wie konnte es passieren, dass sie dann auch noch einem einwöchigen Urlaub auf einem wackeligen Boot zugestimmt hat, obwohl sie ständig seekrank wird und Angst vor dem Untergehen hat? Sonja beginnt gerade, ihre mentale Gesundheit in Frage zu stellen, als Sven ihr ein Gummiteil in die Hand gibt und sagt: „Kannst du das mitnehmen und damit dann bitte das Nachbarboot beim Ablegen fernhalten?“ Bitte was?

Sie nickt mit dem Kopf, nimmt das bojenartige Ding und dann wie im Automodus die Hand, die ihr Ole vom Boot aus reicht. Während sie ausparken, schlägt Sonjas Herz bis zum Hals. Sie hat das Gefühl, sobald sie den Mund öffnet, könnten die anderen ihren Puls wie durch einen Lautsprecher hören. „Alles ok? Du siehst ein bisschen bleich aus.“, fragt Sven als sie das offene Meer erreicht haben. „Ist euch eigentlich klar, dass ich keine Ahnung vom Segeln habe?“ – „Mäuschen, wir kennen dich, seit du fünf bist. Ja, das ist uns klar.“ Er lacht laut und klopft ihr auf die Schulter. „Aber wir wollten mal wieder einen Urlaub zu viert machen, erinnerst du dich? Du, Ole, Mira und ich. Und da wurdest du halt überstimmt. Keine Sorge, wir werfen dich nicht über Bord, wenn du was falsch machst. Jetzt kannst du eh nichts machen. Wir fahren jetzt ne ganze Weile geradeaus. Entspann dich.“

Vorsichtig setzt sich Sonja auf den Boden und zieht die Beine an. So schlimm ist es vielleicht wirklich nicht. Und das letzte Mal, dass alle vier unter einem Dach geschlafen haben, war vermutlich auf irgendeiner Klassenfahrt. So ähnlich fühlt es sich jetzt auch an. Dieses aufgeregte Gefühl. Nur dass dieses Mal die Bettenverteilung schon vorher geregelt ist und es nicht mehr darum geht, wer beim Flaschendrehen wen küssen soll. Oder doch? Sonja verwirft den Gedanken. Sie lässt den Blick über die ruppige und trotzdem ruhige Oberfläche des Meeres gleiten. Die Bewegungen der Wellen kann sie unter sich spüren, allerdings wirken diese wie von der Sonne geschmolzen ganz weich. Sie atmet die salzige Luft ein und blickt zu ihren Freunden. Wegbegleiter ihres Lebens. Eine Woche voller Abenteuer oder Entspannung oder beidem liegt vor ihnen. In der Luft liegt mehr als nur der Geruch der Algen, der so nah an der Küste noch wahrzunehmen ist. In der Luft hängt auch dieses Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, an dem sich Sonja gern festhalten will. Falls doch mal ein Sturm kommt und sie seekrank wird.

Lebt leuchtend, Lena.

P.S. Hat Euch der Beitrag zum Lächeln gebracht? Was hat Euch gefallen und was vielleicht auch nicht? Ich freue mich auf Euer Feedback in den Kommentaren oder per Kontaktformular.

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