Oder: HILFE, MEIN KIND TRIGGERT MICH.
Kennst du es auch, dieses rauschende Gefühl in den Ohren, der Schwall von Emotionen, der jeden Moment über zu schwappen droht? Und das alles nur, weil dein Kind gerade nicht das tut, was es eigentlich soll? Ich weiß, was du meinst. Ich verstehe dich. Manchmal treiben uns unsere wunderbaren Kinder unbeabsichtigt in den Wahnsinn. Die Betonung liegt dabei auf unbeabsichtigt. Wenn dein Kind dich als Elternteil triggert, dann tut es das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, um dich in irgendeiner Art und Weise zu belasten. Genau genommen tut es überhaupt nichts. Die Reaktion entsteht in dir und kommt aus dir. Aber die Belastung ist trotzdem da und es ist wichtig, zu lernen, damit bewusst umzugehen. Es ist für eine bewusste Elternschaft unerlässlich, die eigenen Trigger zu erkennen und zu bewältigen. Nur so lassen sich Ausraster vor deinen Kindern vermeiden. Denn: Sie sind nicht schuld an der Situation. Egal wie einfach es wäre, ihnen ihr Verhalten vorzuhalten.
Eins vorweg: Es handelt sich bei diesem Beitrag um einen Erfahrungsbericht über meine persönliche Entwicklung. Ich freue mich, wenn ich dir an der einen oder anderen Stelle helfen kann und einen Schubster in die richtige Richtung gebe. Ich bin allerdings weder Ärztin noch Psychologin. Bei ernsthaften Problemen, suche Dir bitte professionelle Hilfe!
Ein Beispiel
Mein Sohn hat sich angewöhnt, vor dem Wickeln Verstecken zu spielen. Und wenn ich ihn dann – weil wir zum Beispiel einen Termin haben – aus seiner Sicht zu früh auf den Arm nehme und zum Wickelplatz trage, ist die Rebellion vorprogrammiert. Alles dauert am Ende viel länger und meine Nerven liegen blank. Am liebsten würde ich laut rufen: “Halt doch still, es dauert so doch viel länger.” Ok, manchmal sage ich das genauso. Er hält trotzdem nicht still. Und ich bin gestresst. Das Verhalten meines Kindes triggert mich in diesem Moment. So sehr, dass ich manchmal kurz davor stehe, auszurasten.
Die Lösung: 3 Schritte Trigger zu erkennen und zu bewältigen
Was mache ich also? Ich atme durch und bemühe mich, mich innerlich von der Situation zu distanzieren. Das Positive: Ich kann einen Trigger erkennen und bewältigen.
Schritt 1: Abstand gewinnen und bewusst unterreagieren
Das Zauberwort lautet hier: Langsam. Langsam atmen, langsam denken, langsam entspannen. Akute Stressreduktion durch aktive Verlangsamung der Situation.
Durch innerlichen, oder situationsbedingt vielleicht auch möglichen äußerlichen, Abstand fällt es mir leichter, mein erhitztes Gemüt wieder runter zu fahren und die Situation als das zu erkennen, was sie ist: Mein Sohn war noch nicht fertig mit Spielen. Ich bin diejenige, die einen Termin einhalten will. Er zeigt mir nur, dass ich seine Pläne gerade durchkreuze. Das Gefühl, gleich vor Wut zu platzen, entsteht in mir. Nicht in meinem Kind. Mein Kind ist zwar der Auslöser, aber nicht der Grund. Der Grund liegt in mir: Oberflächlich will ich nicht zu spät kommen.
Erkenne den Trigger als solchen und atme ein.
Ich fasse den Beschluss, ganz bewusst unterzureagieren. Ganz genau: Statt überzureagieren, kann man auch bewusst unterreagieren und damit eine geladene Situation entschärfen. (Die Idee stammt aus dem Buch “Happier at home”* von Gretchen Rubin.)
Schritt 2: Trigger erkennen und bewältigen
Die Frage die sich nun stellt, ist doch: Warum bringt mich so eine Kleinigkeit aus der Fassung? Die Antwort ist tief in mir vergraben. Deshalb bietet es sich an, diesen zweiten Schritt auch in aller Ruhe, ohne die Anwesenheit des Kindes anzugehen. Die Situation ist jetzt erstmal verlangsamt und die Erkenntnis, dass gerade nichts Dramatisches passiert, entspannt sowohl mich als auch meinen Sohn. Ich habe auch noch später Zeit, mich mit diesem Trigger zu befassen. Bei der nächsten Gelegenheit gehe ich innerlich nochmal zurück in die Situation und frage mich: Wie genau habe ich mich gefühlt? Erinnert mich das Gefühl an eine Situation aus meiner Vergangenheit? Ging es vielleicht um viel mehr, als die Sorge, zu spät zu kommen?
Was sind Trigger eigentlich?
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Als Trigger wird in der Psychologie ein Auslösereiz bezeichnet, der zu einem Flashback führen kann. Diese Definition hilft dabei, zwei wesentliche Punkte zu verstehen:
- Der Trigger ist nur (!) der Reiz, nicht der Grund für unser schlechtes Gefühl (dem Flashback).
- Wenn wir etwas gegen einen Trigger tun wollen, müssen wir verstehen, wohin in unserer Vergangenheit uns der Reiz führt.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, komme ich irgendwann zu folgender Erkenntnis: Die Angst, zu spät zu kommen und einen Termin zu verpassen, verdeckt nur eine viel tiefer liegende Angst: Meine ganz persönliche Sorge, nicht zu genügen und für meine Mitmenschen nicht gut genug zu sein. Ein Glaubenssatz, der sich tief in meinem Inneren versteckt hält und in Situationen wie oben beschrieben durchbricht.
Schritt 3: Danke dem Trigger! Er hilft dir, einen negativen Glaubenssatz aufzulösen.
Sei dankbar, dass du gerade so gereizt wurdest und dich deshalb mit einem ganz wesentlichen Teil deiner psychischen Prägung auseinandersetzen kannst: Du hast gerade einen negativen Glaubenssatz ausgemacht und kannst daran arbeiten, diesen in etwas Positives umzudrehen und ihn dadurch aufzulösen.
Negative Glaubenssätze
Negative Glaubenssätze tauchen in der aktuellen Literatur zur Persönlichkeitsentwicklung immer und immer wieder auf. Auch ich habe mich in den letzten Wochen intensiv mit meinen eigenen Glaubenssätzen beschäftigt, weil ich nicht zuletzt für meine Buchrecherche (Ein Roman über das Ende einer toxischen Beziehung) etwas psychologischen Input benötigt habe.
Es gibt wenige Bücher, die ich ausnahmslos jeder erwachsenen Person, egal welchen Alters, Geschlechts, Herkunft, etc. empfehlen würde. ABER das folgende Buch gehört absolut dazu: “Das Kind in dir muss Heimat finden”* von Stefanie Stahl gehört mit Abstand zu den hilfreichsten Büchern der letzten Jahre. Sie teilt darin unsere Psyche in drei wesentliche Teile ein, die alle ihre Berechtigung haben: Das Erwachsenen-Ich, das vernünftig denken und reflektiert handeln kann, das Sonnenkind, das aus positiven Glaubenssätzen heraus agiert und das Schattenkind, das aufgrund negativer Glaubenssätze handelt. In mehreren Schritt-für-Schritt-Anleitungen hilft Stefanie Stahl dem Leser dabei, negative Glaubenssätze des Schattenkindes zu identifizieren und erklärt, wie man Emphatie für sich selbst entwickeln kann. Vor allem erklärt sie, wie wichtig es ist, dass wir unserem Schattenkind zuhören und es trösten, damit wir aus dessen Identität heraustreten können. Die fundierten Erklärungen über die gewöhnlichen Schutzstrategien und wie man diese ablegen kann, sind in wenigen Seiten auf den Punkt gebracht und ausgesprochen nachvollziehbar. Wer sich dort an keiner einzigen Stelle wiedererkennt, muss der glücklichste Mensch der Welt sein.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt im Übrigen auch eine amerikanische Psychologin namens Michelle Chalfant, deren Podcast “The adult chair” ich ebenfalls wärmstens empfehlen kann. Sie stellt in ihrer Praxis drei Stühle auf und lässt ihre Klienten vom Kinderstuhl, über den Heranwachsendenstuhl hin zum Erwachsenenstuhl wechseln, je nachdem in welcher Rolle diese sich gerade befinden. Insbesondere die Episode Nr. 289 Conscious Parenting, Kid Triggers and more with Dayna Ciarfalia möchte ich allen Eltern dringend ans Herz legen. Besonders in dieser Folge wird eindringlich erklärt, wie wichtig es ist, Trigger zu erkennen und zu bewältigen.
Glaubenssätze identifizieren und auflösen
Die Moral von der Geschichte: Wir alle haben in unserer Vergangenheit Dinge erlebt, die in unserem Gehirn Muster geprägt haben. Nicht nur gute, sondern auch schlechte, uns belastende Muster. Diese Muster lassen sich mit Triggern identifizieren. Übrigens sollte es dabei nie darum gehen, die eigenen Eltern für deren “Fehler” an den Pranger zu stellen. Es gibt sicher solche und solche Varianten von Eltern, aber selbst die allerbesten und liebevollsten Eltern dieser Welt, können nicht verhindern, dass sie bei ihren Kleinkindern an irgendeiner Stelle einen negativen Glaubenssatz verankern.
Sobald wir erkannt haben, was tief in uns drin verborgen ist, verliert es den ersten Schrecken. Wir können uns trösten und selbst in den Arm nehmen: “Wir sind jetzt groß und können auf uns aufpassen. Wir müssen uns nicht mehr in dieser oder jener Selbstschutzstrategie verlieren.” Wir können als Erwachsene Gegenargumente sammeln und unser inneres (Schatten-)Kind davon überzeugen, dass es im Unrecht ist.
Praxistipp
Bilde mindestens fünf Gegenbeispiele aus deinem Alltag. Bei meinem Glaubenssatz, nicht zu genügen, wäre ein klassisches Gegenbeispiel folgendes: Mein Mann sagt mir nicht nur bei jeder Gelegenheit, wie toll er mich findet, sondern zeigt es mir auch in unserem Alltag. Ihm genüge ich rational und objektiv voll und ganz.
Wichtig ist für Eltern vor allem eins: Sich bewusst zu machen, was gerade passiert, kann das Verhältnis zum eigenen Kind enorm verbessern. Es geht nicht darum, Kinder fehlerfrei zu erziehen. Aber ein Bewusstsein für die eigenen Motive und Handlungen zu haben, verhindert zumindest unüberlegtes Verhalten, das wir hinterher manchmal bitterlich bereuen. Nutze die Trigger, die deine Kinder dir immer wieder aufs Neue auf dem Silbertablett liefern (Kinder haben noch keinen eingebauten Filter und sind deshalb wunderbar als Auslöser). Und dann arbeite damit! Trigger erkennen und bewältigen ist hier die Devise. Negative Glaubenssätze lassen sich auflösen. Verzweifle nicht und raste nicht aus. Und wenn es doch mal so weit gekommen ist, entschuldige dich bei deinem Kind. Denn vergiss nie: Was du heute tust oder sagst, prägt die Zukunft deines Kindes. Also sei ein gutes Vorbild und setze dich mit deinen eigenen Prägungen auseinander.
An dieser Stelle nochmals der Hinweis: Ich bin keine Ärztin oder Psychologin. Solltest du bei diesem Text das Gefühl bekommen haben, nicht alleine mit deinen Triggern zurecht zu kommen, dann hole dir bitte professionelle Hilfe! Deine Kinder werden es dir danken.
Wie gehst du mit Triggern in deinem Alltag um? Versuchst du einfach nur, sie weg zu atmen und hoffst, dass du nicht nochmal in eine ähnliche Situation gelangst, oder hinterfragst du die Gründe für deine heftige Reaktion auf Trigger?
Deine Anna Lena.
P.S. Du fühlst dich oft wegen deiner ganzen Aufgaben so gestresst, dass du deshalb kurz vorm Ausrasten stehst? Lies dir doch mal meinen Blogartikel zur 80/20-Methode für Mütter durch. Vielleicht sind ein paar hilfreiche Tipps dabei.
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