Prinzessin

Martha muss sich anstrengen, um die kleine Kisten aus dem Regal zu holen. Irgendwo hier drin muss es sein. Ein Bild – vor vielen Jahren aufgenommen. Das rosa Kleid an ihrer Tochter so präzise gebügelt, dass nur der durchstechende und starke Blick den Wildfang hinter dieser Prinzessin verraten hat. Sie durchkramt den Karton und wird fündig. Martha seufzt. Eine Welle der Erinnerungen überkommt sie. Stift und Papier liegen bereit. Eine Rede. Ihre Tochter überrascht sie immer wieder. Aber wie könnte sie ihr diesen Wunsch abschlagen? Martha schreibt mit Bleistift auf das weiße Papier und wundert sich selber, woher die Worte kommen.

„Du bist viel stärker, als ich erwarte. Du weißt es selber ganz genau und genau das macht dich aus. Du bist nicht mehr nur eine kleine Prinzessin, du bist die Königin deiner eigenen Welt. Du lebst zwischen zwei Welten. Deine Fantasie und die Wirklichkeit sind wie der Übergang zwischen zwei Meeren. Beide spülen gegenseitig Wasser, Mineralstoffe und alles was in Meeren schwimmt in sich hinein. Dadurch gewährleisten sie die Artenvielfalt, von der unsere Umwelt lebt. Deine Welten plätschern simultan vor sich hin und manch eine Idee deiner Fantasie wird in der Wirklichkeit stürmisch umgesetzt, um dann später in deinen Träumen noch größere Umrisse anzunehmen. Dich dabei zu begleiten ist die größte Ehre, die ich mir vorstellen kann. Bewahre deine Welten, solange es geht. Alles Gute zum 18. Geburtstag meine kleine Königsprinzessin.“

Sie wischt sich über die Augen. Ihre fast erwachsene Tochter betritt den Raum. „Was machst du?“ – „Nichts, nichts.“ Eilig räumt Martha den Karton gemeinsam mit der Rede weg. „Mama, hast du etwa wirklich eine Rede vorbereitet?“ – „Wirst du schon sehen. Lass dich überraschen.“ – „Du erstaunst mich immer wieder.“ – „Du mich auch, das kannst du mir glauben!“ Martha nimmt ihre Tochter in den Arm. „Komm, die anderen warten.“

Lebt leuchtend, Lena.

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