Heimaturlaub

Die Brücke ist vollgestopft wie ihre Sockenschublade. Hoffentlich fällt kein Auto herunter – so wie die Socken in ihrer viel zu kleinen Schublade ständig herausquellen. Sie lächelt und entspannt nochmal bewusst die Beine im Fahrersitz – dieser Stau noch und dann ist sie zu Hause. Der letzte Besuch ist lange her und die Akkus wieder leer.

„Sagst du bitte Bescheid, wenn du wieder zu Hause bist?“ – „Mama, ich bin 28 und lebe seit 10 Jahren allein. Ist das wirklich notwendig?“ – „Ja.“ Keine weiteren Diskussionen, zu Hause ist Patricia Tochter. Egal wie alt, selbstständig oder erwachsen sie in ihrer Großstadtwelt auch sein mag. „Brauchst du Geld fürs Taxi nach Hause?“ – „Mamaaa…“ Manche Dinge ändern sich einfach nie.

Zehn Minuten später sitzt sie mit ihren Schulfreunden in der Bar, die früher irgendwie größer und schicker wirkte. Die Tapete wellt sich an den Wänden. Filzstiftgemälde verzieren fast alle Möbel und der Fußboden klebt nicht mal mehr, sondern erinnert eher an zu alt gewordenes Gummi, das sich erst in klebrigen Klümpchen verabschiedet hat, um danach eine immerwährende Symbiose mit dem umliegenden Staub einzugehen. „Frohe Nachostern! Schön, dass alle wieder an Bord sind!“ Die Freunde prosten sich zu und genießen das alljährliche, penibel einstudierte Wiedersehen. Erst etwas trinken, dann etwas tanzen, dann wieder trinken und dann ziemlich munter an den Strand, um den Sonnenaufgang zu beobachten. Diese Tradition bewahrt sie vor rein organisatorischen Fragen. Zum Beispiel, in welchem Elternhaus man mit knapp 30 überhaupt noch Vorglühen darf, war das doch schließlich schon in der Pubertät nicht gern gesehen. Patricia lehnt sich entspannt zurück und unterhält sich mit ihrer besten Freundin. Beide in der gleichen Stadt geboren und aufgewachsen. Die Jugend haben sie zusammen verbracht. Jetzt leben sie kilometerweit auseinander, leben in ihren eigenen Straßenzügen und Bekanntschaften. Aber für immer werden sie die Höhen und Tiefen der gemeinsam durchlebten Pubertät miteinander verbinden.

„Na Cici, wie läuft der Job? Schon in der Chefetage angekommen?“, fragt Mike auf dem Rückweg vom Sonnenaufgang durch die noch menschenleeren Gassen der kleinen Stadt. Sie nickt, hebt nochmal ihre Flasche und prostet ihm zu: „Läuft.“ In einem aufgemotzten Restaurant in ihrer Alltagswelt wäre ihre Antwort weniger einsilbig und dafür umso smarter, besser durchdacht, cleverer, spritziger gewesen. Sie könnte diese Antwort jederzeit geben. Hier ist sie aber nicht notwendig. Hier ist sie immer noch Cici, die es nicht nötig hat, mit Erfolg zu prahlen. Hier ist sie geerdet und kommt immer wieder zur Ruhe.

„Mama, ich bin zu Hause.“ Die Tür hat sie nur leicht aufgemacht, damit es im Schlafzimmer nicht zu hell wird. „Schön, wie spät ist es?“ – „Kurz nach fünf…“ – „Oh dann war es ja gut. Um acht gibt es Frühstück.“ Manche Dinge ändern sich nie. Während sie sich die Zähne putzt, summt die elektrische Zahnbürste in der Morgensonne, die gerade durchs Badezimmerfenster scheint. Hier ist sie zu Hause.

Lebt leuchtend, Lena.

P.S. Hat Euch der Beitrag zum Lächeln gebracht? Was hat Euch gefallen und was vielleicht auch nicht? Ich freue mich auf Euer Feedback in den Kommentaren oder per Kontaktformular.

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