Zwangspause

Immer und immer wieder klackt es an der Fensterscheibe, wenn die kleine schwarze Fliege sie mit voller Wucht berührt. Megan beobachtet das Treiben und fragt sich, ob sie irgendwann aufgeben wird. Die Fliege aber will offensichtlich mit dem Kopf durch die Scheibe. Megan seufzt und reibt sich mit der linken Hand kurz die Augen, bevor sie die Stirn wieder vorsichtig in der Handfläche platziert. Der Schmerz hinter den Augen pulsiert in ihrem Kopf und lässt ihren Atem flacher, vorsichtiger werden. Eingehüllt in ihre Decke sitzt sie auf dem Sofa und versucht auf ihrem Handy wenigstens noch ein paar Mails zu beantworten, bevor ihr Kopf sie endgültig verlässt. Das Sofa fühlt sich weicher an, als normal. Oder ist ihr Körper heute einfach nur so schwer, dass sich alles herum weicher und konturloser anfühlt?

Megan stellt den Blick wieder scharf. Sie schafft das schon. Dann ein Anruf. „Hallo?“ Die Stimme kratzt und und bricht schon bei der ersten Silbe. „Meg – du hast dich vor zwei Stunden krank gemeldet. Warum bekomme ich noch Mails von dir?“ Ihr Chef ist nicht dafür bekannt, Ausreden gelten zu lassen. „Ich wollte nur noch schnell mein Postfach abarbeiten.“ – „Das kann warten. Mach jetzt bitte Schluss.“ -„Aber..“ – „Keine Widerrede. Irgendwas muss ich als dein Vorgesetzter ja auch zu sagen haben.“ Megan grinst. Chef, Vorgesetzter – alles Bezeichnungen, die sie für ihren Ehemann nur selten nutzt. Auch wenn er theoretisch Recht hat. „Ist gut. Ich liege schon auf dem Sofa. Ich hasse Zwangspausen.“ – „Weiß ich doch. Aber so ist es nun mal jetzt.“ Die beiden legen auf. Sekunden später blinkt ihr Handy auf. „Du wolltest doch keine Mails mehr machen…“ steht da. Er kennt sie einfach zu gut.

Megan lässt sich vorsichtig zurückfallen und schließt die Augen. Das klackende Geräusch an der Scheibe ist verstummt. Vielleicht sollte sie sich ein Vorbild an der Fliege nehmen und auch nicht mehr mit dem heute ohnehin zu schweren Kopf durch die Wand wollen. Als Megan aufwacht steht eine Tasse Tee neben ihr. Ihr Mann sitzt auf dem Sessel gegenüber. „Von hier kann ich besser auf dich aufpassen.“ Er gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Seit Monaten hat Megan zum ersten Mal nicht das Gefühl, sofort zum Handy greifen zu müssen. Sie trinkt den Tee langsam. Manchmal kommen Zwangspausen zum genau richtigen Zeitpunkt.

Lebt leuchtend, Lena.

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