Ein Plädoyer für echte weibliche Gleichberechtigung
In der Grundschule hatte ich einen Rosenkavalier. Ganz klassisch mit einzelnen Rosen, die entweder vor der ersten Stunde zu mir getragen wurden, oder aber – ganz zu meinem Beschämen mit zarten neun Jahren – in der ersten Stunde, weil mein Kavalier beim Blumenladen anstehen musste und deshalb zur spät zum Matheunterricht kam.
Gibt es das heute noch? Ich weiß es nicht.
Was ich weiß: Mein Mann bringt mir zwischendurch Rosen mit. Einfach nur so oder zu bestimmten Anlässen. Ich freue mich jedes Mal sehr darüber und hoffe, dass meine Söhne davon vor allem meine Freude über die Geste, nicht über den Wert der Blumen abspeichern. Warum? Weil ich mir wünsche, dass sie später auch mal einer Frau Blumen mitbringen, um ihr eine Freude zu machen.
Aber dann kommt es, dieses seltsame Gefühl in mir: Was für Werte vermittele ich ihnen damit noch? Dass Männer Frauen Blumen mitbringen und Frauen deshalb dankbar zu sein haben? Dass Frauen Männern keine Blumen mitbringen? Dass Frauen sich auf irgendeine subtile Art und Weise von Männern abhängig machen, wenn sie Blumen annehmen? Dass Männer Frauen genau das Gefühl durch die geschenkten Blumen vermitteln wollen?
Feminismus bedeutet nicht Gleichbehandlung.
Dieses Gefühl nervt. Und zwar gewaltig. Ich habe es übrigens nicht nur bei Blumen. Auch wenn ich nach dem Essen den Tisch abräume und mein Mann währenddessen das Kinderzimmer aufräumt, schleicht sich die Stimme in meinen Kopf und flüstert leise, meine Söhne sähe mich ja jetzt schon wieder nur putzen. Was für eine klassische Rollenverteilung. Wer aufmerksam gelesen hat, weiß, dass mein Mann gerade das Kinderzimmer aufräumt. Also doch nicht so klassisch bei uns. Ist der Stimme in meinem Kopf aber egal.
Feminismus, Gleichberechtigung, Emanzipation. Das ist alles schön und ich bin absoluter Fan. Aber für mich bedeutet das nicht, dass wir auch gleich geschaltet sein müssen. Der Unterschied? Gleiche Rechte: Bitte gerne. Gleiche Regeln: Immer. Gleiche Muster und Verhaltensweise in absolut jeder Situation: Nein.
Emanzipation sollte für sinnvolle Forderungen stehen.
Es geht doch bei der ganzen Gleichberechtigung nicht darum, einfach nur Männer 2.0 aus uns Frauen zu machen. Das Ziel kann doch nicht sein, dass unsere Gesellschaft am Ende noch uniformer ist. Das widerspräche doch jeder aktuell so gern geführten Diversitätsdebatte. Stattdessen muss es doch darum gehen, dass wir uns als Frauen gleichberechtigt in die Gesellschaft einbringen können. Mit den Attributen, die wir genetisch bedingt nun mal haben. Wahrscheinlich gibt es einen Grund dafür, warum Männer keine Kinder gebären können. Offenbar ist diese Superleistung nur durch den weiblichen Bevölkerungsteil zu gewährleisten. Irgendwelche Superpower müssen wir also haben. Da bringt es doch herzlich wenig, wenn wir uns einfach nur zu männlichen Abziehbildern machen lassen.
Ganz konkret fängt das zum Beispiel mit unserer Terminplanung an. Wusstest du, dass wir durch unseren weiblichen Zyklus jeden Monat unterschiedliche Phasen durchlaufen, in denen wir mehr oder weniger produktiv, kreativ, organisiert oder offen für neues sind? Das ist vollkommen normal. Wird aber in unserer männlichen Arbeitswelt weder unterstützt, noch gern gesehen. Stattdessen wird jeden Tag die gleiche Leistung von uns gefordert. Obwohl das von der Natur tatsächlich so nicht vorgesehen ist. Nachlesen kannst du das wunderbar in dem Buch “In the Flo”* von Alisa Vitti.
Gleichberechtigung – was es bedeuten sollte.
Kurzer Einschub: Das ist kein Plädoyer für „Frauen zurück an den Herd“. Es geht nicht darum, alles wieder rückgängig zu machen. Aber wir sind schon so weit gekommen, dass wir mittlerweile doch wenigstens in der Lage sein sollten, für uns wirklich sinnvolle Dinge zu fordern: Wie etwa Arbeitszeiten, die sich unserem Zyklus anpassen.
Ich habe keine lange Liste, die ich an dieser Stelle präsentieren kann. Mir geht es vor allem darum, eine etwas andere Facette in die Debatte einfließen zu lassen. Was versteht ihr unter Gleichberechtigung? Schreibt es mir in die Kommentare. Wir können ja mal sammeln, welche Punkte auf eine sinnvolle Liste mit Forderungen gehören würden.
Eure Anna Lena
P.S. Übrigens ist nichts draus geworden aus mir und dem Kavalier. Schön war es trotzdem.
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