Zitat von Martin Gehard Reisenberg zum Thema Phrasen und Floskeln

Wie geht es dir? – Antwortest du ehrlich auf die Floskel?

Ein Plädoyer gegen Floskeln im Alltag und mehr Ehrlichkeit in unserer Kommunikation

Wir alle kennen diese Gespräche. Man hat sich etwas länger nicht gesehen, dann die altbekannte Frage, nach dem eigenen oder fremden Wohlbefinden. Fast als würde man einen Preis dafür gewinnen, wenn man diese Frage vor dem anderen stellt und dann die immer gleichen Antworten:

  • “Alles gut.”
  • “So wie immer.”
  • “Ach, weißt schon.”
  • “Ach, frag nicht.”
  • Seit der Pandemie besonders beliebt auch: “Muss ja irgendwie.”

Einfach dahin gesagte Antworten sind oft unehrlich. Und alle wissen es.

Ja, nur was muss denn? Muss es uns gut gehen, damit das Gespräch auf gar keinen Fall unangenehm für das Gegenüber oder – schlimmer noch – für uns selber wird. Denken wir überhaupt noch über die Antwort nach? Ich für meinen Teil tue es viel zu oft nicht. Wenn ich mich mit Bekannten unterhalte, sage ich häufig bei der Begrüßung, wie gut es mir geht und zehn Minuten später (Das Gespräch dauert manchmal eben doch länger als nur zwei Minuten.) muss ich das Gesagte dann schon revidieren. Merkt fast nie jemand. Weil wir uns nämlich bei dieser Begrüßungsfloskel nicht einmal richtig zuhören oder schon erwarten, dass die Antwort nicht die Wirklichkeit widerspiegelt. Mit anderen Worten: Wir erwarten gegenseitig, dass wir unehrlich sind. Oder es interessiert und einfach nicht.

Der Ausweg: Höre auf in Floskeln zu fragen und antworten.

Schluss damit! Mach mit und beobachte dein eigenes Verhalten im Alltag und auch bei der Arbeit als Experiment eine Woche lang. Wie oft antwortest du unbedarft und wie oft stellst du eine Frage, deren Antwort du schon gar nicht mehr richtig hörst. Frage dich, ob es nicht viel schöner wäre, wenn wir ehrlich miteinander umgingen und so ein bisschen echte Kommunikation in dieser oft so oberflächlichen Welt zurück erlangen.

  1. Bevor du jemanden fragst, wie es ihm oder ihr geht, frage dich selbst, ob du die Antwort hören willst und ertragen kannst. Vielleicht formulierst du die Frage auch um, so dass sie nicht nach Floskel klingt. Ein einfaches “Wirklich” als Annex kann Wunder wirken: “Wie geht es dir – wirklich?” Klingt zwar im ersten Moment etwas sonderbar, hat aber garantiert folgenden Effekt: Dein Gegenüber antwortet nicht im Automodus. Und das ist es doch, was wir wollen.
  2. Wenn dich jemand fragt, wie es dir geht, schalte dein Hirn ein. Wie geht es dir wirklich gerade? Fühle in dich hinein und antworte frei heraus. Wenn die Wahrheit für dein Gegenüber zu ehrlich ist, wirst du es schnell merken. Lerne daraus: Diese Person ist vielleicht nicht die optimale Wahl für tiefsinnige Gespräche und vorsichtig ausgedrückt nicht der richtige Umgang, um deine Zeit zu vergeuden.

Das Ergebnis: Aufrichtige und ehrliche Verbindungen mit unseren Mitmenschen

Wenn du ohne Floskeln im Alltag agierst, passiert über kurz oder lang etwas Wunderbares: Du baust echte Verbindungen mit deiner Umgebung auf. Belastbare Verbindungen zu unseren Mitmenschen sind meiner Meinung nach wichtiger als oberflächliche Gespräche, die letztlich nur Zeit kosten. Höflichkeiten sind nett, aber mehr eben auch nicht. Wir können uns höflich und respektvoll behandeln und zeitgleich ehrlich und aufrichtig mit uns und unseren Mitmenschen sein. Ist das nicht letztlich sogar viel respektvoller und höflicher, als einfach nur ein eingeübtes Theaterstück vorzuspielen, um mögliche peinliche Momente auszuschließen?

Schon in einem früheren Beitrag habe ich mich dafür ausgesprochen, die eigenen persönlichen Beziehungen darauf zu untersuchen, ob sie einem gut tun oder letztlich schaden. Sollte dich das interessieren, klicke hier.

Die echte Währung heißt Zeit.

Ich möchte meinen Kindern als Mutter ein Vorbild sein. Eine Person, die ihre eigene Zeit und die Zeit ihrer Gesprächspartner wertschätzt. Niemand, der nur redet, um zu reden. Jedes Gespräch kostet Zeit. Und Zeit ist für uns alle endlich – unendlich kostbar. Wir leben in einer Zeit der unendlichen Erreichbarkeit. Und trotzdem erreichen wir uns kaum noch, weil wir die wichtigste Währung “Zeit auf dieser Welt” gar nicht mehr beachten und schätzen. Es geht nicht darum, einfach meine Probleme bei einem entfernten Bekannten abzulegen und dann weg zu gehen. Nur mit Gegenseitigkeit kommen wir weiter auf dem Weg der ehrlichen Kommunikation. Aber irgendjemand muss ja den ersten Schritt machen. Warum sollten dass nicht Du oder ich sein?

Es ist übrigens vollkommen ok, zu sagen, es gehe einem grundsätzlich gut, aber dieses oder jenes könne besser laufen. Bei mir persönlich ist das meistens sogar die ehrlichste Antwort. Ja, ich habe Themen, die mich umtreiben und beschäftigen, Dinge, die mich unglücklich machen und belasten. Zeitgleich passiert in meinem Leben aber auch ganz viel Großartiges. Und deshalb geht es mir meistens “grundsätzlich gut”. Durchaus eine privilegierte Stellung, derer ich mir auch bewusst bin. Ich bin dankbar für all die tollen Dinge, die meinen Alltag bereichern. Trotzdem lebe auch ich nicht in einer Welt aus Schwarz und Weiß. Mein Leben ist bunt, findet nicht mal in Graustufen statt. Und diese Farbenpracht teile ich mit meinen Mitmenschen. Wem das zu viel ist, soll mich nicht fragen, wie es mir geht oder was mich gerade beschäftigt.

Ohne Floskeln durch den Alltag: Probiere es mal aus und lass mich wissen, wie sich deine Gespräche verändert haben!

Deine Anna Lena.

P.S. “Wie geht es dir?”, ist natürlich nur eins von vielen Beispielen für die Nutzung von Floskeln im Alltag. Hier findest du eine Liste von wunderweib.de, die 100 Floskeln zusammenfasst und an einigen Stellen zum Schmunzeln und auch Nachdenken anregt.

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